22.8.12

Auch schlechte Tage bringen uns weiter...

Es gibt Tage, da denke ich, ich wäre wieder bereit für alle neuen Herausforderungen. Ich spüre dann, wie der Schmerz weniger wird. Gerade Worte anderer Leute wie "Du bist eine sehr starke Frau!" oder "Wie du mit dem Schicksal eurer Julia umgehst ist echt bewundernswert!" sind Balsam für meine verletzte Seele.

Dann gibt es halt auch die anderen Tage. Sie kommen immer seltener vor, oder zumindest die Dauer solcher Episoden nimmt langsam ab. Doch heute gab's mal wieder einen solchen Tag. Am Morgen musste ich zum Zahnarzt. Das ist natürlich schon mal kein guter Start, denn ich habe fürchterlich Angst vor ihm. Naja, zumindest rede ich mir das ein. Mit diesem Gefühl öffnete ich auch die Türe der Praxis und sass im Wartezimmer. Wenn man eine Stunde warten muss bis man drankommt, können einem schon viele, sehr viele Gedanken und Fragen durch den Kopf gehen.

Als ich dann endlich dran kam, sah ich wieder das grelle Licht, das der Zahnarzt benötigt, um gut zu sehen (oder so...). Genau dieses Licht gab mir den letzten Kick. Es erinnerte mich so sehr an die Zeit im Operationssaal. Dort hatte ich auch immer in das grelle Licht gestarrt. Und nun starrte ich auch in der Zahnarztpraxis in das grelle Licht. Die Angst vor dem Zahnarzt, das grelle Licht und die lange Wartezeit waren zu viel. Die seelische Wunde schien wieder aufgeplatzt zu sein.

Später konfrontierte ich dann meinen Mann noch mit super Fragen: "Denkst du oft an Julia? Vermisst du sie?" Wie konnte ich solche Zweifel haben? Ich weiss, dass mein Mann anders trauert als ich und das ist auch gut so. Aber ich wollte oder konnte es heute nicht akzeptieren, dass er auch wieder andere Probleme hat. Probleme bei der Arbeit. Und mein Problem ist es, dass Julia nicht hier ist. Also kamen Gedanken auf, ob ihm die Arbeit wichtiger wäre als Julia.

Nach einem emotionalen Gespräch und unter vielen Tränen habe ich gelernt, dass auch er unsere Julia vermisst. Einfach anders. Und eigentlich hatte ich das gewusst. Wir sprechen ja viel über unsere Tochter. Ich habe also letztendlich doch etwas gelernt. Julia werden wir wohl immer vermissen, aber der Alltag lässt auch wieder kleinere Sorgen zu. Das ist auch gut so. Ich lernte auch, dass mein Trauerprozess noch lange nicht abgeschlossen ist und wohl immer wieder solche "schlechten" Tage kommen werden. Und doch geht es mir jetzt besser als zuvor. Ich weiss jetzt noch besser, wie mein Mann trauert und dass es völlig normal ist, dass ich Julias Tod anders verarbeite. Was wir beide gelernt haben, dass wir noch viel darüber sprechen müssen/dürfen/sollten. Auch wenn wir immer wieder über das Gleiche reden, es hilft! Uns beiden!

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